14
Mai
2008

2- Hoffnung erblüht

Das Vorstellungsgespräch läuft ab wie gewöhnlich.
Der Verlagschef setzt seine Lesebrille auf- ein Zeichen dafür, dass er zumindest 50 ist und wohl zu konservativ um mich einzustellen- und liest mit Bedacht meine Referenzen. Zwei Mal.
Ich kann seine kleinen Augen hin und her huschen sehen.
Seine Oberlippe hebt dabei den Schnurbart was ihn nachdenklich aussehen lässt. Ich weiß, dass er in Gedanken seine Ablehnung so höflich wie möglich formuliert. Es wäre nicht nötig. Ein einfaches "Nein" würde mir reichen.
"Also ihre Erfahrungen..." Sind zu weitgreifend,... oder so.
"...sind zu vielschichtig... für diese Stelle."
Fast.
"Kurz- Sie sind hoffnungslos überqualifiziert!"
Ein Fluch der mich schon seit Jahren quält.
Ich nicke verständnisvoll, stehe auf und verlasse das Büro.
Der Sekretärin scheint mein Dreitagebart zu gefallen. Ich nicke ihr lächelnd zu, was sie zu Boden blicken lässt. Hat sie denn meine abstoßende Wampe nicht gesehen!?
Nachdem ich Zeit habe, unermesslich viel Zeit, gehe ich ein Stück zu Fuß. Beobachte das Treiben am Jakomini Platz, sehe mir die Schaufenster der Herrengasse an und träume vor mich hin.
Wieder zu Hause lege ich mich auf meine dunkelblaue Cordcouch und schlafe ein wenig.
Ich wache im Dunkeln auf und brauche ein paar Sekunden um mich zurecht zu finden. Meine Kleidung ist nass von Schweiß und beginnt streng zu riechen. Langsam schäle ich mich aus ihrer nassen Umarmung und wanke ins Badezimmer.
Das Duschgel ist leer. Ich verwende Seife und spüre wie sie meine Haut sekundenschnell austrocknet.
Bruchteilhaft beginne ich mich an Träume zu erinnern.
Meine Exfreundin. Was für eine Überraschung sie in meinen Träumen zu entdecken...
In dem Traum sind wir einander sehr nah. Ich lege meine Hand an ihre Wange, kann sie riechen und fühle Erleichterung, Seeligkeit, Wärme. Es dauert nur einen Moment.
Ich bin wohl noch nicht bereit los zu lassen.
In einem Magazin habe ich gelesen, dass Männer nach festen Beziehungen lange nicht so schnell von ihrem Schmerz genesen wie Frauen. Sie, also wir, können nicht so gut damit umgehen, reden eher selten darüber.
Es war ein Frauenmagazin.
Nach der Dusche stehe ich nackt in der Wohnung und betrachte mich im Spiegelbild eines glasgerahmten Fotos. Ich sehe blass und trotz des Bäuchleins ausgemergelt aus. Zweiunddreißig. Kaum zu fassen.
Alle Guten sterben mit ca 27. Also bin ich wohl Teil der Spreu.
Der Nachbar mit dem Sohn sieht mich kopfschüttelnd an und zieht den Vorhang vor sein Fenster. Ich habe keine Vorhänge.
Ist mir scheißegal ob mich jemand sieht. Können doch weg sehen wenn ich ihnen nicht gefalle.
Telefon klingelt. Kein Handy. Festnetz ist zwar inzwischen teurer, beinhaltet allerdings den unbezahlbaren Luxus der Unerreichbarkeit.
"Hallo."
"Hallo!"
"Sehr lustig." Ich lege auf.
Es läutet erneut. Ich warte ein paar Sekunden und entscheide mich zugunsten meines verkümmerten Soziallebens, denn ich glaube die Stimme zu kennen. Eine freundliche, weibliche, vor allem weibliche, Stimme.
"Ja, Hallo."
"Hallo. Nicht gleich wieder auflegen!"
"Schon gut..."
"Ich bins Julian, Petra"
Petra. Alte Flamme aus der Schule. Lange her. Sehr lange.
Sie hatte damals etwas mit dem Klassenschwarm, dem Alphamännchen wie wohl jede Klasse eines hatte. Ich dachte immer sie hätte trotzdem etwas für mich übrig, war aber zu wenig erwachsen um tatsächlich etwas zu unternehmen. Später wurde sie dann schwanger und ging weg. Ich glaube ich war der einzige der sie wirklich vermisste. Alle anderen, vor allem Conny und Nicole, diese Tratschweiber, konnten nicht aufhören sich ihr Maul über sie zu zerreißen.
"Hi... Wie geht's dir?" Dämliche Art ein Gespräch zu beginnen.
"Eigentlich recht gut, danke! Hey, ich habe leider wenig Zeit, möchtest du dich auf einen Kaffee treffen?"
Wasser tropft von meinem Pimmel und ich habe das Gefühl den Teppich anzupissen.
"Äh. Gern... Jetzt?"
"Ich dachte mehr so an Morgen früh. Um Acht im Tribeka?"
Rauchverbot im Tribeka. Um halb Neun das nächste Vorstellungsgespräch.
"Klingt gut. Ich bin da."
"Schön. Ich freu mich, bis dann!"
Ja. Bis dann.
Ich freue mich auch, und gehe hoffnungsvoll nackt zu Bett. Zu müde um über Karies und verschwitzte Bettwäsche nachzudenken sinke ich in einen unruhigen Schlaf der mir den Sinn für Zeit abermals raubt.
winterspross - 22. Mai, 17:12

Gut schreibt er, der Herr. Muss mich zurückhalten, um nicht Rechtschreibfehler/Vertippsler auszubessern. :) Nein, das mache ich nicht, höchstens, du bittest mich darum. Hm. Ich will mehr lesen.

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